Basel, 15.05.2021
Stellungnahme zu Patentaufhebungen
Die Kosten für Forschung und Entwicklung (F & E) müssen im Gleichgewicht mit den erwarteten Umsätzen und Einnahmen (S & I) stehen. Wenn eine solche Situation aus dem Gleichgewicht gerät, z. Durch die Festlegung toxischer Preise für ein bestimmtes Medikament müssen rechtliche Aspekte des Betrugs berücksichtigt werden.
Die finanzielle Toxizität hat die Diskussion der Regulierungsbehörden erreicht (https://www.docfind.ch/PharmaEuropU…052016.pdf) und kann zu einer Situation führen, in der eine angemessene Verwendung solcher Medikamente rationiert werden muss (behördliche Beschränkung).
Pharmaunternehmen können ihre Produkte in vielen Märkten, einschließlich den USA (https://www.aarp.org/content/dam/aa…health.pdf) und Europa, zu Preisen anbieten. Und die Einzelhandelspreise steigen und steigen.
Die deutschen politischen Behörden und Pharmaunternehmen haben über die Beschränkung der Kosten für neue Medikamente auf 0,5 Mia € pro Jahr verhandelt (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/).
Pharmaunternehmen sind jedoch wichtige Akteure in den Volkswirtschaften und im Gesundheitswesen. Dies stärkt ihre Macht bis zu einer Situation, in der das Gleichgewicht zwischen den finanziellen Möglichkeiten der Volkswirtschaften und der pharmazeutischen Finanzgier verloren geht.
Die Weltgesundheitsorganisation sagt: „Die Regierungen müssen Strategien entwickeln und geeignete Gesetze und Sanktionen einführen, um Korruption und kriminelle Aktivitäten zu reduzieren“ (https://www.aarp.org/content/dam/aa…health.pdf).
Wie können toxische Preise definiert und für Strafanzeigen zugänglich gemacht werden?
Toxische Preise können auf zwei Arten ermittelt werden, wenn wir den finanziellen Input und Output eines Pharmaunternehmens berücksichtigen. Auf der Input-Ebene zählen wir die Kosten aufgrund von F & E-, Marketing- und regulatorischen Rahmenbedingungen. Auf der Produktionsebene können wir im Laufe der Zeit weltweit realisierte Umsätze beobachten oder die erwarteten Umsätze pro Zeitraum schätzen. Mit beiden Methoden können Schätzungen zu Input und Output vorgenommen und die Wahrscheinlichkeit von Diskrepanzen zwischen ihnen ermittelt werden.
Für die Schweiz gilt: Wucher im Strafgesetzbuch, Artikel 157 STG, Antitrust-Gesetz (Kartellgesetz)
https://www.admin.ch/opc/de/classif…index.html; Patentrecht: https://www.admin.ch/opc/de/classif…index.html; Art. 32 B. Enteignung des Patentes: 1. Wenn das öffentliche Interesse es verlangt, kann der Bundesrat das Patent ganz oder zum Teil enteignen. 2. Der Enteignete hat Anspruch auf volle Entschädigung, welche im Streitfall vom Bundesgericht festgesetzt wird.
Ein weiteres Problem betrifft die konkrete Berechnung toxischer Pharmapreise, wie wir dies am Reclaim Democracy Kongress des Denknetzes dargelegt haben: https://www.reclaim-democracy.org/w…manens.pdf. Bei den konkreten Berechnungen ist der Effekt der Therapie idealerweise auf der Patientenebene zu beobachten, und dieser Effekt ist bei gleicher Wirkung umso höher, je kränker oder je risikobehafteter eine Person ist, wir nennen dies PEP für personalized pricing (https://docfind.ch/PEPPricing.pdf).
Ist die Gesellschaft für Big Pharma toxisch?
Vor dem Hintergrund der Kosteneffektivität pharmazeutischer Produkte stellen wir immer wieder fest, dass die Kosteneffektivität falsch beurteilt wird (https://docfind.ch/VEMSHarvoni052015.pdf). Mit den mRNA Impfstoffen ist die Kosteneffektivität kaum zu übertreffen, das heisst, die Grenze toxischer Preise ist in Anbetracht des Schutzes ganzer Bevölkerungen und deren Wirtschaftskraft extrem hoch. Wenn wir die Pharmapreise in die Perspektive setzen zu der Kosteneffektivität, welche nicht wie heute üblich nur die medizinischen Kosten umfassen kann, wie wir in einer eigenen Arbeit kürzlich aufgezeigt haben (https://smw.ch/article/doi/smw.2021.20498), dann stellt sich die Frage, ob die Perzeption toxischer Preise nicht einfach durch den Artefakt der nicht evidenz-basierten Konstruktionen der Gesundheitsökonomie erzeugt werden, um insgesamt die hohe Kosteneffektivität des Gesundheitswesens zu diskreditieren. Das Zusammenspiel von Staaten, Hochschulen und Big Pharma ist in der Erzeugung protektiver Pharmazeutika dermassen hocheffizient, dass Veränderungen im Bereich der Anreize wirklich sehr gut abgestützt sein müssen.
Zeitweise Aufhebung des Patentschutzes für Covid-Impfstoffe
Ich kann an dieser Stelle keine Empfehlung abgeben, ob dieser Schritt klug ist. Der potentielle Schaden einer solchen Massnahme kann jedenfalls enorm sein, immerhin sind es die Aussichten auf hohe Gewinne, die schon im April 2020 hochpotente Impfstoffe gegen Covid-19 verfügbar machten und es waren die Regierungen dieser Welt, die durch die viel zu zögerliche Verwendung dieser Produkte für die Hauptschäden der Pandemie verantwortlich sind. In Anbetracht künftiger Bedrohungen durch Pandemien hat die Weltbevölkerung ein vitales Interesse an höchstmöglicher Effizienz in der Impfproduktion. Zentral dabei muss bleiben, dass die Aufhebung des Patentschutzes nicht zu einem Vertrauensverlust in die Impfstoffe wegen Problemen mit der «good manufacturing practice» (GMP) führt. Wer an den Kosten schraubt, stellt nämlich auch immer die Qualität der Produkte zur Disposition. Wie dieses Problem lösbar ist, ist mir nicht bekannt. Hauptsache ist jedoch die Verfügbarmachung ausreichender Produktionsstätten, und dies kann auch mit Lizenzen erfolgen. Dafür müsste die Keule der Aufhebung des Patentschutzes über staatliche Zwangsmassnahmen nicht angewendet werden. Präsident Biden will wohl hier Druck erzeugen, dass die Lizenzfreigaben freiwillig geschehen.
Wie hoch sind die Gewinne?
Ein weiteres Problem ist die Offenlegung der Gewinne, welche aktuell nur auf Schätzungen basieren. Diese Gewinne müssen dann aber in Relation zur Kosteneffektivität gesetzt werden, idealerweise mit einem Return on Investment für die Gesellschaft.
Argumentationsnotstand?
Es mag im Format der Binswanger-Kolumne vom 15.05.2021 liegen, dass im komplexen Kontext von Patentschutz hier der schwarze Peter des Argumentationsnotstandes auf Big Pharma abgeschoben wird. Diese Verkürzung ist in dieser Form nicht ausreichend respektvoll. Natürlich erwarte ich von einer Kolumne auch eine Konklusion. Doch es zeigt sich immer mehr, wie auch schon der Club of Rome in seinem jüngsten Buch «Wir sind dran» von E.U.v. Weizsäcker und A. Wijkman, dass die Philosophie der Balance, nicht des Ausschlusses, zielführender sein wird. In meiner Kurzansprache am IPPNW Kongress der Ärztinnen und Ärzte für soziale Verantwortung und nukleare Abrüstung (https://www.ippnw.ch/2021/05/12/was…en-wollen/) wird wohl eine zentrale ethische Forderung sein müssen, globale Probleme mit universalistischer Ethik (Apel) zu lösen. Dazu gehört auch die Tatsache, dass Universal-Gelehrtheit heute nur interindividuell zu haben ist, dass die globalen Gefässe für globale Diskurs (Habermas)-Ethik nur ansatzweise existieren (UNESCO).
Weitere Literaturangaben:
http://pharmaprofiling.ch/legal-issues/